Verlag Henselowsky Boschmann · Sigi Domke · Helden sind immer die anderen
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Sigi Domke und Michael Hüter
Helden sind immer die anderen
Urkomische Kämpfe mit dem Alltag
Geschichten vonne Ruhr

144 Seiten, gebunden, illustriert
9,90 €
ISBN 978-3-942094-35-1

Der Ruhrgebietsalltag gilt unter Experten als dreikommasiebenmal tückischer als der Alltag in der Südsee. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Und egal, wie heldenhaft man versucht, sich diesen Tücken entgegenzustellen, immer finden sie einen Dreh, dass man selbst als der Doofe aus der Sache herausgeht. Helden sind anscheinend immer die anderen. Sigi Domke (Text) und Michael Hüter (Illustration) schauen mit großer Wahrheitsliebe auf die eigenen Schwächen und auf die Tricks, das alltägliche Leben im Ruhrgebiet zu bewältigen.
Sigi Domke

Sigi Domke
Jahrgang 1957; übt den seltenen Beruf des Ruhrgebietskomödien-Schreibers aus und hat überhaupt dem alten Ruhrpott mit seinen Typen und seiner schnodderigen Sprache viel an Inspiration zu verdanken. Als Co-Autor für die Kunstfigur Herbert Knebel ist er mitverantwortlich für die Witzdichte des Knebel-Humors.

Sigi Domke ist ebenfalls Autor der Bücher

 
Nachbarn in Bäumen – Roman

 
Pinkelpausen und Tai-Chi – Roman

Die Koplecks in: Freunde der italienischen Oper – Theaterstück

Wie sieht denn die Omma aus?! – Märchen aus dem Ruhrgebiet

Erster Kuss und dritte Zähne. Ruhrpott-Gedichte für jede Gelegenheit.

Wat ne Gegend. Überlebensratgeber Ruhrgebiet

Michael Hüter
Foto: Wolfgang Schmidt)

Michael Hüter:
Geboren 1962 in Rheinhausen; Schule und Abitur in Duisburg, dann bald Studium in Bochum … und danach sofort Berufskarikaturist geworden. Arbeitet als Illustrator und Karikaturist unter anderem für Zeitungen, Zeitschriften, verschiedene Institutionen … und besonders gern für einen bekannten regionalen Literaturversorger. Ist mit einer Wattenscheiderin verheiratet, hat zwei Söhne, lebt in Wattenscheid und bereist ansonsten beruflich wie privat das Ruhrgebiet und große Teile Europas. Ist Schriftführer seiner Siedlergemeinschaft, beackert unter Anleitung seiner Frau den Garten und verbringt große Teile seiner kargen Freizeit segelnd in Holland oder als einfacher "miles gregarius" der LEGIO VI VICTRIX.

Michael Hüter ist ebenfalls Autor der Bücher

 
Nix wie Höhepunkte – 12 Expeditionen zu den Gipfeln des Ruhrgebiets

 Stautröster Ruhr
'Sigi Domke Michael Hüter Helden sind immer die anderen Lesung Leszeichen Duisburg Hamborn

Sigi Domke Michael Hüter Helden sind immer die anderen Lesung Leszeichen Duisburg Hamborn

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Heinz H. Menge Mein lieber Kokoschinski der ruhrdialekt

Sigi Domke und Michael Hüter lesen am 22. Dezember 2013 im "Mondpalast" in Wanne-Eickel


Michael HüterDrei Tote im Garten

»So!«, sage ich und knalle mit hochrotem Kopf die Kofferraumtür zu. »Alles drin!«
Morgen früh fahren wir in Urlaub. Aber heute ist erst heute, und was ich »drin« habe, sind nicht die Koffer, sondern die Kleintiere samt Zubehör.
Ich muss gestehen, ich fahre nicht besonders gern in Urlaub. Mein Vater hat das schon nicht gern gemacht. Vererbt sich so was? Gibt es so etwas wie ein Anti-Urlaubsgen? Andere dagegen müssen ja ständig irgendwohin in Urlaub fahren. Haben die dann voll das Pro-Gen, oder wie muss ich mir das vorstellen? Das müsste die Biologie jedenfalls mal dringend erforschen, weil, wenn es so etwas gibt, könnte ich, wenn Frau und Tochter mal wieder »Urlaub, Urlaub« schreien, schön darauf verweisen. Fuerteventura? Tut mir leid, Anti-Urlaubsgen.
Obwohl, so schlimm ist das bei mir gar nicht. Wenn ich einmal da bin, im Urlaub, dann finde ich das sogar manchmal ganz erträglich. Aber die Reisevorbereitungen, die schaffen mich! Danach bin ich urlaubsreif. Na, das passt ja, könnte man denken, aber mir macht schon der Gedanke an die Vorbereitungen den ganzen Urlaub mies. Da will ich erst gar nicht weg.
Momentan stehe ich erst am Anfang der Vorbereitungen. Wie gesagt, ich habe die Kleintiere eingeladen. Wir haben Meerschweinchen. Drei tote liegen im Garten, die sind aber pflegeleicht, und ein paar lebendige sitzen im Käfig, beziehungsweise momentan auf dem Beifahrersitz. Selbst einen einzigen Tag kannst du nicht einfach so in Urlaub fahren, weil du die nicht auf Vorrat füttern kannst. Egal, wie viel Grünzeug du in deren Käfig deponierst, nach einer Viertelstunde ist das verputzt, und der Käfig ist vollgeköttelt. Und anschließend hungern die sofort und drohen zu sterben. Deshalb müssen die dosiert was kriegen. Wenn du Nachbarn hast, die jede Stunde mal zum Füttern kommen, ist das kein Thema, wenn nicht, musst du die Schweine für die Zeit, wo du weg bist, irgendwo unterbringen. Gar nicht so leicht, da jemanden zu finden. Diesmal bringe ich die Beißer zu einer Bekannten, die zwei Kinder hat und die Tierchen für vierzehn Tage zum Zwecke der Abschreckung aufnehmen möchte. Die Kleinen wünschen sich nämlich welche und sie nicht.
Ob das mit der Abschreckung denn auch halbwegs sicher funktionieren würde?, hat sie gefragt.
»Todsicher!«, hab ich geantwortet. »Stell den Käfig und die ganzen Plörren in deren Zimmer. Spätestens nachts kommen bei deinen Blagen nache anfänglichen Begeisterung die ersten Zweifel am Schweinewunsch auf. Dann beißen die nämlich in ihr Holzhäusken, also, die Tiere, und zwar so laut, dat du denks, da nagt en Biber an nem Mammutbaum! Und wenne Glück has, kricht dat Männchen gleich noch seine rattigen fünf Minuten und stürzt sich auf die Schweine-Weiber. Da ist dann ein Gequieke wie im Schlachthof!«
Ja, da war sie beruhigt.
Ich starte den Motor und fahre los. Der Wagen tut sich schwer mit dem Gewicht. Außer den Tieren, dem Käfig und meine Wenigkeit habe ich ja noch einen riesigen Sack Einstreu geladen, einen ebenfalls riesigen Sack Heu, circa 14 Kilo Grünzeug, ein auseinandergebautes Freilaufgehege für die sonnigen Tage sowie jede Menge Holzhäusken. Die Tiere sehen gestresst aus. Ich auch.
Bei der Bekannten angekommen, stürzen sich die Kinder auf die Nager, die daraufhin noch gestresster aussehen. Ich darf alleine ausladen und alles aufbauen. Eine halbe Stunde später sitze ich wieder im Auto.
»Denkt dran«, sage ich, »die müssen immer fressen! Wenn die ma fünf Minuten nich fressen, sind die krank und müssen zum Arzt. Spart schonma, dat kostet!«
Ich wünsche der Bekannten viel Glück und fahre nachhause. Dort angekommen und schon mittelschwer geschwächt, folgt der nächste Teil der Reisevorbereitungen. Es gilt, das Haus für die Zeit der Abwesenheit für alle Eventualitäten zu rüsten, gerade auch wettermäßig, also, falls die Superhitze kommen sollte, Frost, Überschwemmung, Hurrikan und womit man sonst mittlerweile noch so rechnen muss. Ich wässere also den Garten, aber nicht zu viel, damit der nicht direkt absäuft, wenn es schüttet, binde alle beweglichen Teile an, damit die bei Sturm nicht wegfliegen, gieße die Topfpflanzen drinnen, ohne sie zu ertränken, und dunkle die Räume ab, damit die Einrichtung nicht verglüht bei 45 Grad im Schatten. Zu viel abdunkeln darf ich sie aber auch nicht, wegen der Topfpflanzen. Dann stelle ich das Wasser ab, damit bei Frost keine Leitung platzt, und mache schließlich alles einbruchsicher, indem ich Schilder aufstelle, wo draufsteht, »Wir sind zuhause!«.
»Hallo?!«, sagt meine Gattin, »wir fahren erst morgen! Kannse vielleicht dat Wasser wieder anstellen und en bissken Licht machen?«
Widerwillig willige ich ein.
Dann geht es ans Kofferpacken. Das ist der am wenigsten stressige Teil der Vorbereitung. Mein Gott, so schnell, wie ich einen Koffer gepackt habe, so schnell kannst du als Frau gar nicht gucken. Ich nehme ja kaum was mit. Manche haben ganze Kleiderschränke dabei, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, aber ich finde, das ist alles eine Frage der Logistik. Wenn du nach dem Zwiebel-Prinzip vorgehst und du alles entweder übereinander an- oder eben nicht anziehen kannst, dann kommst du mit einer Handvoll Klamotten und einer Zahnbürste aus.
»Nich, dat du wieder anfängs zu müffeln!«, sagt meine Frau und guckt mit kritischem Blick in den halbvollen Koffer.
»Zwiebel-Prinzip und en gutes Deo!«, sage ich und kriege schon bei dem Gedanken an das Koffergewicht meiner Liebsten eine Zerrung.
Bald darauf ist der Tag vorbei, und ich liege mit weit aufgerissenen Augen im Bett und denke an den Alptraum, der mir in aller Herrgottsfrühe bevorstehen wird. Da ist an Schlaf natürlich nicht zu denken.
Schon bevor der Wecker klingelt, stehe ich auf und gehe auf dem Zahnfleisch. Die Verdauung stottert, und das wird sich auch nicht ändern. Ich würge einen Toast herunter und einen Kaffee.
»Scheiße!«, entfährt es mir.
»Die Zeitung«, sagt meine Frau.
Ich nicke dumpf. Wie immer habe ich vergessen, sie abzubestellen. Ich erreiche den Abbestell-Notdienst, der extra für Fälle wie mich eingerichtet wurde. Dann geht es an den Endspurt: Wasser abstellen, Müll rausbringen, Verpflegung für die Reise machen, wieder Müll rausbringen, Wasser wieder anstellen, noch mal spülen, zwischendurch immer wieder gucken, ob alle Fenster zu sind, Wasser wieder abstellen, Gepäck rausbringen, alles abschließen, wieder aufschließen und noch mal aufs Klo gehen, noch mal nach den Fenstern gucken, wieder raus und abschließen, und los geht es! Ich winke meiner Frau und meiner Tochter, die aufgeregt zurückwinken und vor die Scheibe hämmern. Dann fällt mir ein, dass sie mitfahren wollten. Großzügig halte ich noch einmal und lade sie ein.
»Geht’s noch?!«, schimpft meine Frau.
»Nee«, sage, »bei mir geht nix mehr!«
Dann geht es aber doch ab zur Tankstelle. Ein bisschen Luft sollten wenigstens die Reifen haben. Und dann geht es tatsächlich ab in den Urlaub! Allerdings brauche ich immer mindestens eine Woche, um mich von dem Stress der Reisevorbereitungsaktion zu erholen. Wenn du nur eine Woche wegfährst, steht das in keinem guten Verhältnis.
Na ja, was macht man nicht alles … Denn wenn du Frau und Kind und Meerschweinchen einmal hast, willst du sie auch nicht mehr weggeben.