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Monsieur Paillot im Nirgendwo
Land und Leute aus der Sicht eines Revolutionsflüchtlings
am Vorabend des Reviers
herausgegeben von Werner
Bergmann und Werner Boschmannn
aus dem Französischen übersetzt von Luc le Gall
96
Seiten · gebunden · 2. Auflage · 14,90 €
ISBN
978-3-942094-34-4
Monsieur
Pierre-Hippolyte-Léopold Paillot möchte seinen wohlhabenden Kopf nicht
verlieren. Zwar sind Paris und die Revolution ziemlich weit weg, aber
es ist 1794, und die „Schreckensherrschaft“ rückt Schritt für Schritt
bedrohlich näher. So macht er sich denn mit Familie und Verwandtschaft
auf ins sichere Rheinland und nach Westfalen.
Monsieur Paillot ist schwer neugierig, schaut ganz genau hin, schreibt
alles auf. Einiges ist ihm suspekt, zum Beispiel Pumpernickel und die
Unterkünfte; anderes dort im Nirgendwo überrascht ihn, ja, Dorffeste
und Wacholderschnaps nötigen ihm sogar ein ganz klein wenig Bewunderung
ab.
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„Hals über Kopf verließ man damals
sein Vaterland, wie ein Blatt vom Sturm verweht.“ René Paillot, der
1909 das Tagebuch seines Urgroßvaters in einer Auflage von 200
Exemplaren veröffentlicht hat.
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Die Familie Paillot
Pierre-Hippolyte-Léopold
Paillot
* 21. März 1759 in Condé (seit 1887 Condé-sur-l’Escaut/Condé an der
Schelde); † 23. April 1815 in Condé; Kaufmann, Gerbermeister,
Mitglied des Magistrats von Condé; Familienvorstand
Marie
Angélique Joseph Paillot * 14. Mai 1765 in Péruwelz; † 24. Januar 1831 in Péruwelz; geborene
Debuisson; Ehefrau
Adèle
Françoise Joseph
* 1788; † 1833; Tochter, 1. Kind
Victoire
* 1789; † 1851;Tochter, 2. Kind
Augustine
* 1791; † ( ?) nach 1832; Tochter, 3. Kind
Clothilde
* 1793; † 1794; Tochter, 4. Kind; sterbend in Condé zurückgelassen
Reine
Barbe Joséphine
* 1794; † 1810; Tochter, 5. Kind; im Exil geboren
Hippolyte
Louis Francois
* 1796; † 1864; Sohn; 6. Kind; im Exil geboren
Bernard
Francois Debuisson
* 3. August 1767 in Péruwelz; † 13. März 1804 in Péruwelz; jüngerer
Bruder der Ehefrau; bester Freund des Familienvorstandes
Louis
Baudry
* (?) nach 1740; † 1799 in Duisburg; Onkel des Familienvorstandes; seit
1767 verheiratet mit Tante Augustine
Fluchtgefährten
Bruil und Saint-Jean; Diener des Hausvorstandes
Herr de Gheugnies, sein Bruder Amé und beider Schwester Fräulein Auguste
Fräulein Benoit; Freundin von Marie Angélique
Abt Cloet de Ruesnes und sein Neffe Melun des Ruesnes
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Duisburg
"Da ein gewaltiges Gewitter die Wege aufgeweicht hatte, erreichten wir
Duisburg erst bei eingebrochener Nacht, eine Stadt, die im Besitz des
Königs von Preußen war. Es waren bereits viele Leute auf der Flucht, so
dass wir nur mit Mühe ein Wirtshaus finden konnten. Eine gute
Dreiviertelstunde hatte die Suche nach einer Bleibe gedauert.
Schließlich fanden wir doch noch ein minderwertiges Lokal, in dem wir
bleiben durften. Zusammen mit drei oder vier Emigranten aßen wir Salate
und eine Milchsuppe; nach dem Abendessern tranken wir ein Glas
Wacholderschnaps, das der Wirt als Erster zum Munde führte, was in
allen Wirtshäusern des Landes bei einem dem Gast unbekannten Getränk
gebräuchlich war. Am folgenden Tag besuchte ich die Stadt, die nur
altes Zeug zu bieten hatte.
Wir verließen den Ort gegen sechs Uhr morgens. Nach ungefähr einer
halben Meile erreichten wir die Ruhr, einen recht breiten Fluss, der
bei Duisburg in den Rhein mündet. Wir überquerten ihn auf einem großen
Kahn, ähnlich wie eine Fliegende Brücke gebaut. Er ist auch in der
Mitte der Strömung durch eine dicke Kette verankert, die sich selbst
auf kleinen Barkassen stützt. Aber da es nur eine kleine Schiffsbrücke
ist, können lediglich zwei oder drei Wagen auf einmal übergesetzt
werden.
Etwa eine Stunde nach der Überfahrt fuhren wir durch eine
Heidelandschaft, die sich bis nach Dorsten zog. Allein ein kleiner
Weiler konnte diese Eintönigkeit durchbrechen. Dort war ein schönes
Wirtshaus, in dem wir einen Halt zum Abendessen machten. Da es das
einzige auf dieser Straße war, standen dort sehr viele Wagen, die den
Weg sogar versperrten. In der Nähe waren mehrere Schmieden, die ich mir
gern angesehen hätte, wenn ich Zeit gehabt hätte, aber wir brachen
sofort auf und fuhren wieder durch diese Heide, die einem nur Wehmut
einflößen konnte. Bis ins Unendliche waren nur vereinzelte absterbende
Bäume zu sehen, sowie Sandhaufen, die vom Winde weggeweht wurden und
die sich zwischen einigen Wacholderbäumen und dürrem Gras ausstreckten.
Selten sahen wir ein paar Strohhütten, von armen Bauern bewohnt, die
das Gras mähten, um daraus ihr Feuer zu machen." [...]
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Inhaltsverzeichnis
Monsieur Paillot im Nirgendwo – von Werner Bergmann · Eine historische
Einordnung · 4
Pierre-Hippolyte-Léopold Paillot, Journal d’un émigré – übersetzt von
Luc le Gall
Aufbruch ins Ungewisse · 14
In Düsseldorf · 20
Ausflug nach Köln · 26
Über Duisburg nach Dorsten und zurück · 30
Flucht aus Düsseldorf · 40
In Mülheim und Essen · 44
Von Bochum nach Dortmund und zurück · 50
In Dortmund · 52
Ausflüge nach Hörde, Huckarde und Dorstfeld · 56
Besuch in Hagen · 58
Hochzeit in Huckarde und Aufruhr rund um Dortmund · 60
In Hagen, Boele, und Halden · 66
Besuch in Iserlohn · 74
Hochamt in Boele, Hochzeit in Elberfeld, Ausflug nach Limburg · 76
Über Wesel und Rees zurück Richtung Heimat · 82
Wieder zu Hause · 86
Wie ich Paillot fand – von Werner Boschmann · 90
Bei Paillot gebrauchte Münzbezeichnungen/Verzeichnis der Abbildungen ·
94
Literaturverzeichnis · 95
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